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Ja zum Schutz der Alpenflüsse – Ja zur naturverträglichen Energiewende – Nein zum Ausbau des Kraftwerks Kaunertal
Der aktuelle Bericht des Weltklimarates zeigt ganz deutlich: Klimaschutz und Naturschutz müssen Hand in Hand gehen. Je mehr Natur wir zerstören, desto schwieriger wird der Klimaschutz. Die Ötztaler Alpen sind ein Naturjuwel von herausragender Bedeutung. Eine hochspezialisierte Vielfalt an Lebensformen, Tier- und Pflanzenarten findet hier einen ihrer letzten intakten Rückzugsorte. Gleichzeitig bergen die Ötztaler Alpen mit ihren zahlreichen Gletschern den letzten Wasserschatz der Ostalpen. Weitgehend unbeeinträchtigt fließen die wasserreichen Gletscherflüsse derzeit noch Richtung Inn. Laut einer Studie des Instituts für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur findet sich in den Ötztaler Alpen auch einer der größten alpinen Freiräume Österreichs, ein Gebiet, das bisher aus guten Gründen nicht mit großtechnischer Infrastruktur verbaut wurde.
Doch mit dem geplanten Ausbau des Kraftwerks Kaunertal würde ein wichtiger Teil dieser sensiblen Gebirgslandschaft für immer zerstört. Die TIWAG will einen Großteil der Ötztaler Wasserressourcen abziehen und mitten durch Schutzgebiete ins 23 Kilometer entfernte Kaunertal leiten. Dabei sollen ausgerechnet die ökologisch hochwertigen Flüsse Venter und Gurgler Ache, die in der Ötztaler Ache zusammenfließen, ausgeleitet werden. Der Wasserentzug von bis zu 80 Prozent würde für das Ötztal gerade in Zeiten der Klimakrise einen drastischen Einschnitt bedeuten. Bereits jetzt ist das Ötztal eines der niederschlagsärmsten Täler Tirols. Die Ötztaler Ache ist die Lebensader des Tales – sowohl für die Natur als auch für die Bevölkerung. Durch den Ausbau des Kraftwerks Kaunertal würde sie den Großteil ihrer Wassermengen einbüßen, wertvolle Ökosystemleistungen gingen irreversibel verloren.
Gleichzeitig will die TIWAG nahe dem bestehenden Gepatschstausee im Kaunertal ein Pumpspeicherkraftwerk errichten, um das Ötztaler Wasser ins höher gelegene Platzertal zu pumpen. Im Platzertal, einem bislang nahezu unberührten Hochtal, würde dafür ein neuer Staudamm mit einer Höhe von 120 Metern gebaut. Das entspricht beinahe der Höhe des Stephansdoms und der siebenfachen Höhe des Goldenen Dachl in Innsbruck. Hinter diesem Damm würden wertvolle Moorlandschaften in der Größe von 6,3 Hektar für immer in einem Stausee versinken. Diese massive Naturzerstörung widerspricht nicht nur der Alpenkonvention, sondern auch der kürzlich von der Bundesregierung beschlossenen Strategie zum Schutz der Moore. Denn die letzten intakten Moore, von denen es nur noch sehr wenige gibt, sind für den Klimaschutz essentiell und unersetzliche Rückzugsorte für gefährdete Tier- und Pflanzenarten.
Wir können den gemeinsamen Kampf gegen die Klima- und Biodiversitätskrise nur mit Hilfe der Natur gewinnen. In diesem Sinne müssen auch die letzten intakten Naturräume der Alpen vor der weiteren Zerstörung geschützt werden. Zugleich müssen die Tiroler Politik und die TIWAG die Weichen für eine naturverträgliche Energiewende stellen anstatt einseitig auf den Bau von neuen Wasserkraftwerken zu setzen. Das Ausbauprojekt Kraftwerk Kaunertal ist ein alpenweites Negativbeispiel, das nicht naturverträglich umsetzbar und daher nicht mehr zeitgemäß ist. Dennoch treibt die TIWAG ihr naturzerstörerisches Vorhaben weiter voran. Die Vorbereitungen und Untersuchungen für das Genehmigungsverfahren sind in vollem Gange. Dieses Projekt ist Sinnbild für eine verfehlte Energiepolitik und interessensgetriebene Verbauungspolitik, die ökologische Notwendigkeiten ignoriert.
Daher fordern wir, die Unterzeichner*innen der Kaunertal-Erklärung 2022:
- den sofortigen Stopp des Ausbauprojekts Kraftwerk Kaunertal. Das überholte Großprojekt würde auch nach über zehn Jahren an Planänderungen durch die TIWAG massive Folgeschäden für Mensch und Natur verursachen. Es ist daher nicht naturverträglich umsetzbar.
- den umfassenden Schutz der letzten ökologisch intakten Alpenflüsse, wie zum Beispiel der Venter und der Gurgler Ache. Nur wenige Flüsse der Alpen sind derart naturnah erhalten, daher dürfen sie nicht weiter energiewirtschaftlich genutzt, verbaut oder ausgeleitet werden. Die Entnahme von bis zu 80 Prozent des Wassers würde außerdem das Ötztal, eines der niederschlagsärmsten Täler Tirols, massiv beeinträchtigen und gerade in Zeiten der Klimakrise die vielfältigen Funktionen der Ötztaler Ache gravierend verschlechtern. Davon wären neben den wertvollen Ökosystemen auch die Erholungsfunktion und der Naturtourismus, sowie die landwirtschaftliche Bewässerung stark betroffen.
- den Erhalt alpiner Naturlandschaften wie des Platzertals als einzigartiges Naturerbe Österreichs.
- eine naturverträgliche Energiewende. Der Weg zur Energie-Sicherheit braucht wie der Weg aus der Klimakrise schnelle und massive Maßnahmen bei der Energieeinsparung und dem naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren. Energieeinsparung ist der größte Schlüssel zur Energie-Sicherheit. Es braucht ein umfangreiches Energiespar-Programm der Landesregierung, denn die naturschonendste, billigste und beste Kilowattstunde ist die, die gar nicht erst benötigt wird. Für den naturverträglichen Ausbau der Erneuerbaren ist der einseitige Fokus auf Wasserkraftausbau in Tirol nicht zielführend, denn Wasserkraft ist bereits massiv ausgebaut, die Ökosysteme der Flüsse schwer beschädigt. Die Klima- und Biodiversitätskrise können nur mit Hilfe der Natur bewältigt werden – und nicht auf ihre Kosten. Das Potenzial bei der Wasserkraft liegt in der Effizienzsteigerung der über 960 Anlagen. In Tirol braucht es einen deutlich schnelleren und umfassenderen Ausbau der Photovoltaik auf Dächern und Fassaden sowie auf bereits verbauten Flächen.
- die rasche Behebung der Belastungen durch bestehende Wasserkraftwerke. Dafür müssen insbesondere die starken Schwall-Sunk-Belastungen am Inn saniert und Flusslebensräume am Inn wiederhergestellt werden.
Unterzeichnende der Erklärung
Die vom WWF Österreich initiierte Kaunertal Erklärung wird unterstützt von 36 Organisationen aus den Bereichen Umwelt-, Natur- und Klimaschutz, Fischerei und Wildwassersport. Dazu kommen zwölf Stimmen aus der Wissenschaft.
Unterzeichnende Organisationen
WWF Österreich WWF Deutschland WWF European Policy Office | |||
Unterzeichnende aus der Wissenschaft
- Franz Essl; Ao.Univ-Prof. Mag. Dr., Department für Botanik und Biodiversitätsforschung – Universität Wien
- Leopold Füreder; Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
- Armin Landmann; Univ.-Doz. Mag. Dr., Institut für Zoologie – Universität Innsbruck
- Susanne Muhar; Ao.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr., Inst. für Hydrobiologie und Gewässermanagement – Universität für Bodenkultur
- Birgit Sattler, Ao.Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
- Peter Schönswetter, Univ.-Prof., Mag. Dr., Institut für Botanik – Universität Innsbruck
- Gabriel Singer; Univ.-Prof. Mag. Dr., Institut für Ökologie – Universität Innsbruck
- Reinhard Steurer; Assoc.Prof. für Klimapolitik, Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik – Universität für Bodenkultur Wien
- Klement Tockner; Prof. Dr., Goethe-Universität Frankfurt; Generaldirektor Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung
- Roman Türk; Univ.-Prof. i.R. Dr., – Präsident Naturschutzbund Österreich
- Peter Weish; Univ.Doz. Dr.phil., Institut für Zoologie – Universität für Bodenkultur
- Steven Weiss; Ao.Univ.-Prof. Dr., Institut für Biologie – Karl-Franzens Universität Graz